Wie lange es dauert, Klavier spielen zu lernen, ist vermutlich keine einfach zu beantwortende Frage für MusiklehrerInnen. Gleichzeitig handelt es sich jedoch um eine der häufigsten Fragen, die sich Klavier-AnfängerInnen am Anfang stellen. Eine pauschale Antwort gibt es dabei nicht, denn in Wahrheit kommt es immer darauf an. Worauf? Nun, auf viele verschiedene Faktoren, unter anderem auf:

  • Das individuelle Ziel
  • Die persönliche Voraussetzung
  • Die Zeit, die dem Klavierspiel gewidmet wird (inklusive Übungszeit)
  • Die LehrerInnen, die unterrichten

Da diese vier Punkte sehr individuell sind, fallen auch die Antworten auf die Frage sehr unterschiedlich aus. Außerdem ist es grundsätzlich so, dass es kein definitives Ende einer Klavier-Lernreise gibt. Das heißt, du wirst so lange lernen, wie du spielst. Sogar KonzertpianistInnen auf höchstem Niveau lernen noch.

Grundsätzlich dauert der Lernprozess für Kinder jedoch meistens weniger lang als für Erwachsene, aus dem gleichen Grund, aus dem Kinder leichter Sprachen lernen: Ihre Gehirne sind formbarer. Das soll allerdings nicht heißen, dass Erwachsene beim Klavierspiel kein angemessenes Niveau erreichen können – sie müssen einfach nur mehr Geduld mitbringen. Obgleich sich die Frage also nicht einheitlich beantworten lässt, gibt es doch eine grobe Schätzung dessen, was nach einer bestimmten Zeit zu erwarten ist.

Welchen Einfluss Übungszeit und -dauer, das Ziel sowie das Niveau der LehrerInnen haben

Je nachdem, wie oft du Klavierunterricht nimmst und wie oft bzw. wie lange du übst, variiert die Dauer, die du benötigst, um Klavier spielen zu lernen. Darüber hinaus hat das Klavierspiel- und Unterrichtsniveau der LehrerInnen einen erheblichen Einfluss darauf, wie schnell du auf dem Niveau von AnfängerInnen oder Fortgeschrittenen bist. Sehen wir uns dafür einige Szenarien an:

Szenario Nummer eins: Wenig üben, unerfahrene LehrerInnen

Eine Klavierspielerin besucht den Klavierunterricht eines wenig erfahrenen Klavierlehrers nur alle zwei Wochen oder noch weniger. Zu Hause wird indes nur etwa ein- bis zweimal geübt. Wie du dir vielleicht denken kannst, wird dieses Szenario niemanden sehr weit bringen. Als AnfängerIn ist es nämlich wichtig, wöchentlich (mindestens einmal) den Klavierunterricht zu besuchen. Dabei eignest du dir wichtige Gewohnheiten an – die Grundlage für Fortschritte beim Klavier lernen. Am Anfang ist es also extrem wichtig, regelmäßig zu üben sowie gut unterstützt und angeleitet zu werden. Das hilft nicht nur bei den Grundlagen, sondern erhöht auch die Motivation und ermutigt die SchülerInnen schneller auf das nächste Level zu gelangen.

Besteht dein Ziel bloß darin, „Alle meine Entchen” mit nur einer Hand zu spielen, was übrigens nur wenige Minuten dauert, musst du nicht sonderlich viel üben. Zum Erlernen des richtigen Klavierspiels musst du jedoch täglich (individuell) üben. Wenn man mal darüber nachdenkt, wird schnell klar, warum das so ist – oder kannst du nach einem Tag schon Chinesisch sprechen? Die Antwort lautet natürlich Nein. Nur den Unterricht zu besuchen reicht für Lernerfolge beim Klavier spielen nicht aus. Wer weiterkommen will, muss auch zuhause üben und experimentieren.

Weiterhin ist das Erlernen des Klavierspiels mit LehrerInnen, die keine (oder nur wenig) Erfahrung in Klavierausbildung haben nicht zu empfehlen. Achte unbedingt auf die Qualifikation des Klavierlehrers bzw. der -lehrerin. Einfach Klavier spielen zu können reicht keinesfalls aus, um hochwertigen Unterricht zu geben, Wissen weiterzugeben und SchülerInnen anzuleiten erfordert eine Ausbildung. Um die Erfolgschancen zu erhöhen, ist es besser, bei erfahrenen KlavierlehrerInnen zu studieren. Zusammenfassend ist Szenario eins also das perfekte Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte.

Szenario Nummer zwei: Wöchentlicher Klavierunterricht, relativ regelmäßiges Üben zwischen den Klavierstunden, aber unerfahrene LehrerInnen

Nehmen wir an, du besuchst deinen Klavierunterricht wöchentlich, übst zwischen den Unterrichtsstunden recht häufig und regelmäßig, hast aber LehrerInnen mit wenig Erfahrung. Zugegeben, das Szenario ist etwas besser als das Erste. Allerdings kommt es trotzdem auf die Kompetenzen der LehrerInnen an. Bei professionellem Unterricht nimmst du eventuell ungünstige Gewohnheiten an. Weiterhin könntest du aufgrund fehlender oder langsamer Fortschritte deine Motivation verlieren. Das Fehlen eines einzigen Elements (Unterricht, Üben oder LehrerInnen) wird dich demnach daran hindern, großen Erfolg zu haben.

Szenario Nummer drei: Wöchentlicher Klavierunterricht, tägliches Üben (mindestens eine Stunde), fantastische KlavierlehrerInnen

Im dritten Szenario gehen wir davon aus, dass du wöchentlich mindestens einmal am Klavierunterricht teilnimmst und zu Hause täglich für mindestens 30 Minuten übst. Darüber hinaus lernst du bei professionellen KlavierlehrerInnen, die genau wissen, wie du angeleitet werden musst.

Ungefähre Schätzung: Wie lange brauche ich, um auf welcher Stufe zu sein?

Stimmen die Voraussetzungen, erreichst du schnell die jeweils nächste Stufe. Nach sechs Monaten bis spätestens einem Jahr kannst du in der Regel einfache Stücke spielen. Außerdem haben AnfängerInnen nach dieser Zeit ein vernünftiges Verständnis dafür, wie man Noten lernt und wie grundlegende Tonleitern gespielt werden. Nach etwa drei bis vier Jahren kannst du voraussichtlich ganze Notenblätter lesen. Weiterhin kannst du dann komplexere rhythmische Muster und Tonleitern in den meisten Tonarten und bis zu zwei oder drei Oktaven spielen. Darüber hinaus wirst du in dieser Phase vermutlich schon selbstständig Stücke lernen können, ohne das Gefühl zu haben, auf LehrerInnen angewiesen zu sein. Lass dir jedoch gesagt sein: Auch hier sind LehrerInnen eine wertvolle Unterstützung. Fortgeschrittene KlavierspielerInnen sollten dann Tonleitern, Arpeggios usw. in jeder Tonart kennen. In dieser Phase solltest du dich außerdem dabei wohlfühlen, dein eigenes Repertoire zu wählen und Stücke selbstständig zu erlernen.

Was ist dein Ziel?

Kommen wir aber erstmal wieder zurück zur Ausgangsfrage: „Wie lange dauert es, um Klavier spielen zu lernen“. Inzwischen hast du sicher verstanden, dass du wöchentlich Klavierunterricht bei professionellen KlavierlehrerInnen nehmen- und zwischen den Unterrichtseinheiten üben musst, um dein Ziel zu erreichen. Was aber ist überhaupt das Ziel? Das zu hinterfragen ist ebenfalls relevant, um die Ausgangsfrage zu beantworten.

Die meisten Erwachsenen sagen, dass sie nicht darauf abzielen, KonzertpianistInnen zu werden, sondern nur zum Vergnügen spielen wollen. Um BerufsmusikerIn zu werden, braucht es mindestens 20 Jahre und die tägliche Übung von acht bis zwölf Jahren. Zum Vergnügen zu spielen ist dagegen ein wunderbares Hobby, das alle Klavier-Begeisterten aufnehmen sollten.

Nichtsdestotrotz ist das Klavierspiel aus Spaß nur ein vages Ziel. So vage, wie zu sagen, dass das Lebensziel darin besteht, glücklich zu sein. Wieder sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen:

  • Was genau möchtest du zum Vergnügen spielen?
  • Auf welchem Niveau möchtest du diese Stücke spielen?

Es gibt selten Erwachsene, die mit dem Klavierspielen beginnen und zum Vergnügen auf Liszt-Konzerte spielen möchten. Das heißt nicht etwa, dass AmateurpianistInnen diese Stücke des Repertoires nicht spielen können. Allerdings ist dies mit einem hohen Übungsaufwand verbunden. Überlege dir deshalb, was genau dein Ziel ist – vielleicht ein bestimmtes Stück, das du perfekt beherrschen möchtest.

Klavierspielen ist eine Reise, kein Ziel

Letzten Endes sollte die Frage: „Wie lange dauert es, um Klavier spielen zu lernen?“, generell nicht gestellt werden, bevor man nicht mit dem Klavierunterricht begonnen hat. Erwachsene sind oft ungeduldig und wollen schnell Ergebnisse sehen. Leider kann man sich dem Klavierspiel auf diese Weise nicht annähern. Möchtest du Klavier spielen, solltest du dich auf eine Reise begeben – ohne Termin oder ein Stück zu einem bestimmten Termin spielen zu können. Fokussiere dich eher darauf, deine Lieblingsstücke im Laufe der Zeit zu lernen und dabei Spaß zu haben!

Beginne besser mit der richtigen Einstellung und sieh das Klavierspiel als langfristiges Projekt. Bedenke: Bei sechsjährigen Kindern dauert es etwa zehn Jahre und täglich mehrere Stunden Übung, um ein professionelles Niveau zu erreichen. Weitere zehn Jahre werden benötigt, um das Klavierspiel zu dem eines KonzertpianistInnen zu verfeinern. Anstatt sich also zu fragen, wie lange es dauern wird, solltest du bei LehrerInnen lernen, die sich auf das Unterrichten der jeweiligen Altersklassen spezialisiert haben. Nur so kannst du deine Ziele und Wünsche besser verstehen. Das Wichtigste ist zudem, nichts zu überstürzen und täglich sein Bestes zu geben. Dann kommen die Fortschritte von ganz allein!